Als ausschließlich biobasiertes Polymer ist Polylactid unter bestimmten Voraussetzungen vollständig abbaubar. Hohe Verweilzeiten in der Natur sind damit ausgeschlossen. Das sind neben den anwendungsspezifisch notwendigen Eigenschaften wesentliche Anreize für die Industrie, auf derartige alternative Werkstoffe umzuschwenken.“ Polylactid bietet aber nicht nur in puncto Nachhaltigkeit Vorteile: "Es verfügt außerdem über sehr gute optische Eigenschaften für den Einsatz im sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums. Gleichzeitig bestehen für Polylactid große Produktionskapazitäten. Dadurch ist es preislich gegenüber konventionellen Polymeren relativ konkurrenzfähig", so Huber.
Erforscht wird zunächst der Einsatz in Verbindung mit LEDs, die als effiziente und umweltfreundliche Lichtquelle bekannt sind. Huber erklärt: "Insbesondere die enorm hohe Lebensdauer und die emittierte Strahlung am kurzwelligen Ende des sichtbaren Spektrums, also der hohe blaue Anteil des LED-Lichts, stellen höchste Anforderungen an die optischen Werkstoffe." Deshalb müssen extrem haltbare Materialien verwendet werden. Das Problem: Polylactid wird schon bei ca. 60 Grad Celsius weich. LED-basierte Leuchten erreichen im Betrieb allerdings durchaus Temperaturen von bis zu 80 Grad. Eine weitere Herausforderung stellt das Kristallisationsverhalten dar. Ab ca. 60 Grad bilden sich Kristallite, die das Material trüben. Die Wissenschaftler arbeiten daran, deren Bildung entweder vollständig zu vermeiden oder den Prozess durch eine kontrollierte Kristallisation zu ersetzen. Dabei bilden sich ausschließlich Kristallite mit solchen Abmessungen, die das Licht nicht beeinträchtigen. "Das Projekt soll es ermöglichen, Polylactid erstmals in anspruchsvolle technische Beleuchtungsanwendungen zu bringen. Ganz konkret wird der Einsatz als Linsenmaterial in einem Fahrradscheinwerfer angestrebt. Dazu arbeiten wir eng mit der Firma Busch und Müller in Meinerzhagen zusammen, aber auch andere lichttechnische Firmen wie beispielsweise HELLA aus Lippstadt sind an unseren Fortschritten interessiert und sehen eine steigende Notwendigkeit für den Einsatz nachhaltiger Lösungen in ihren Produkten. In Lippstadt untersuchen wir dazu mit eigens entwickeltem Equipment die Beständigkeit der im Projekt entwickelten Polylactide in Bezug auf kurzwellige sichtbare Strahlung", so Prof. Dr. Jörg Meyer von der Hochschule Hamm-Lippstadt.
Am Standort Paderborn geht es um die Bestimmung der molekularen Beschaffenheit der einzusetzenden Polylactide mit Blick auf den späteren Materialeinsatz. Insbesondere das Schmelz- und Kristallisationsverhalten der entwickelten Materialien wird von den Wissenschaftlern untersucht. Huber geht dabei der Frage nach, inwiefern Zusatzstoffe oder eine Bestrahlung der Proben das Verhalten hinsichtlich der angestrebten optischen Eigenschaften verbessern. "Die Arbeiten werden mit einer eigens für diesen Zweck gebauten Kleinwinkellichtstreuanlage durchgeführt und erlauben eine Untersuchung des Kristallwachstums bzw. des Aufschmelzvorgangs von Kristallen, also genau der Vorgänge, die die optischen Funktionalitäten ganz wesentlich mitbestimmen", so Huber.
Das Projekt soll neben wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen deutliche wirtschaftliche Impulse setzen. Durch einen nachhaltigen optischen Bio-Kunststoff, der über konkurrenzfähige Eigenschaften verfügt, wird die Wettbewerbssituation für Leuchtenhersteller und Automobilzulieferer verbessert. Im Rahmen des Vorhabens wird außerdem der wissenschaftliche Nachwuchs für Industrie und Forschungseinrichtungen ausgebildet. Mit ersten Ergebnissen rechnet das Team Ende 2022.