Chris Lefteri: Gibt es ein bestimmtes Produkt und ein Produkt-Detail, das Sie hervorheben möchten?
Falza Khanani: Unsere Dell Latitude 3000-Serie. Latitude ist für den kommerziellen Bereich gedacht, während das 3000-Modell generell in ziemlich großem Umfang auf der ganzen Welt für Dinge wie Bildung verwendet wird. Aber nur weil es von Studierenden verwendet, immer wieder mal rumgeworfen, wiederverwendet und millionenfach produziert wird, bedeutet das nicht, dass das Gerät simpel und einfallslos gestaltet sein muss. Also haben wir beim Latitude 3000 dem Kunstharz ein paar Sprenkel hinzugefügt, die Farbe entfernt, und eine Mikrotextur entwickelt, um der Oberfläche eine bessere Qualität zu verleihen. Damit sieht es nicht so glanzlos aus, und es erhält ein bisschen mehr Dimension und Taktilität – und einfach etwas mehr Ausdruck und Erscheinung. Das Material selbst hat einen ziemlich hohen PCR-Anteil (und verwendet ein biobasiertes TPU), sodass wir gleichzeitig auch etwas Nachhaltigkeit einbinden. Es ist also ein ziemlich durchdachtes Produkt, das in der Vergangenheit als "Low-End, High Volume" angesehen worden wäre. Ich denke allerdings, dass diese Bezeichnungen und Kategorien heute nicht mehr relevant sind. Es geht hier mehr um die andere Erfahrung, für die die Verbraucherinnen und Verbraucher das Produkt verwenden. Deshalb kreieren wir eine andere CMF-Erfahrung und -Funktion.
Chris Lefteri: Sie sprachen gerade vom Kunststoff-Erlebnis. Wie hat sich Ihrer Meinung nach das Erlebnis und die Wahrnehmung von Kunststoffen seit Ihrer ersten Tätigkeit in einer anderen Branche bis heute verändert? Mich interessiert da konkret Ihr ganz persönlicher Eindruck.
Falza Khanani: Als ich anfing, im Design zu arbeiten, war ich in der Schuhindustrie tätig und habe viele Materialien beschafft. Die besten Materialien kamen immer aus Europa. Dabei handelte es sich immer um sowas wie Leder, Naturfaser, Leinen oder Seide. Dann bahnten Kunststoffe oder synthetische Materialien sich ihren eigenen Weg und Stellenwert. Dabei waren sie mit eigenen Klischees behaftet, galten beispielsweise als "Sportmaterial" für Schuhe oder als "sehr billig und plump" (man denke an Plastikbecher und -schalen). Im Grunde war es ein langlebiges Wegwerfmaterial. Und dann war da immer die Auffassung, dass Kunststoffe aus asiatischer Fertigung stammen, und vielleicht ging es damals nicht so sehr um eigene Ideen, sondern mehr um das "Kopieren" von Materialien. Es war beispielsweise üblich, eine gefälschte Version von Seife herzustellen. Mir kommt es so vor, als ob Kunststoff schon immer als so eine Art "Fake-Material" galt, oder irre ich mich?
Heutzutage haben wir viele verschiedene Arten von Kunststoffen, die in einer Vielzahl von Produktanwendungen benutzt werden. Sie können einen Kunststoff vollständig aus recyceltem Material herstellen. Man kann damit Textilien weben, recycelte Flaschen oder Fasern herstellen. Jetzt ist "Wiederverwendung" ein großes Thema. Außerdem macht das Material gerade einen Image-Wechsel von "Fake-Material" hin zu einem Material, das seine eigene authentische Textur oder Glanz hat. Und dann gibt es natürlich noch den Farbaspekt. Als Kunststoff zum ersten Mal auf den Markt kam – bevor ich und wahrscheinlich auch Sie geboren wurden – galt es als "fantastisches Plastik". Das waren im Grunde Produkte aus Bakelit, bei denen es nicht um Handarbeit ging, sondern Farbe, Form und Modellieren im Vordergrund standen. Es begann seinen Weg als fantastisches, cooles Material für hochwertigen Schmuck und Geschirr. Aber dann war es plötzlich überall und wurde so vereinheitlicht – und vor allem auch erschwinglich! Und dadurch verlor es seinen Wert.
Es gibt mittlerweile so viele Innovationen und Kunststoff ist einfach ganz anders als früher. Man kann also heute nicht einmal mehr sagen, dass ein bestimmtes Material Kunststoff ist. Außerdem gibt es so viele Performance-Funktionalitäten, so viele verschiedene Aktivitäten und Möglichkeiten, Farbe oder visuelles Rauschen in das eigentliche Kunstharz zu integrieren (anstatt der Oberfläche nur eine Deckschicht beizufügen). Ich denke da an unterschiedliche Formgebungsverfahren zur Oberflächenverbesserung oder wie man durch unterschiedliche Farben eine melierte Optik erzeugen kann: Ich denke beispielsweise an einen Marmoreffekt, oder Spritzgusswerkzeug-Gestaltung oder das Hinzufügen biobasierte Materialien für eine strukturelle oder visuelle Geschichte.
Kunststoff übernimmt also mittlerweile einen anderen Spielraum mit Unterkategorien und fungiert in einer eigenen wirklich hochwertigen Klasse.
Chris Lefteri: Reden wir kurz über Nachhaltigkeit, ohne hier zu sehr in die Tiefe zu gehen. Dell hat einige wichtige Projekte rund um wiedergewonnene Meeresabfälle, Verpackungen und recycelte Kohlefasern durchgeführt. Wie zerlegen Sie die Diskussion und das Thema in überschaubare Einzelteile, wenn es beispielsweise um die Hardware geht? Sagen Sie sich: "Diesmal wollen wir uns hauptsächlich auf zirkuläre Materialien und zirkuläre Kunststoffe konzentrieren" oder "dieses Mal wollen wir auf Langlebigkeit abzielen"? Unterteilen Sie Projekte in diese Aspekte?
Falza Khanani: Meine Herangehensweise an Nachhaltigkeit – und wir haben übrigens ein Nachhaltigkeitsteam von Ingenieurinnen und Ingenieuren im Designteam – hängt von der bestimmten Aufgabe oder dem Projekt ab: Man muss immer das Wichtigste an diesem bestimmten Produkt berücksichtigen und dann den entsprechenden Weg zur Nachhaltigkeit wählen. Die Schlüsselfrage ist: Soll dies den CO2-Fußabdruck verringern oder geht es darum, etwas mit recycelten Materialien zu schaffen? Bei unserem "Concept Luna" standen beispielsweise Langlebigkeit, Service und Abbau im Vordergrund. Aber man kann natürlich nicht nur einen Nachhaltigkeitsparameter auf so viele verschiedene Produkte und Produkterlebnisse übertragen. Man muss sich überlegen: Was ist die größte Wirkung, die wir mit jedem Produkt oder jeder Produktkategorie erzielen können? Wenn sich zum Beispiel alles um geformten Kunststoff dreht, dann ist es wirklich wichtig, sich den PCR-Anteil anzusehen, wenn das Produkt sehr schwer ist. Dann fängt man an, sich die Material- und Designauswahl genauer anzusehen: Können wir das Ganze leichter machen, damit es beim Versand dann auch tatsächlich den CO2-Fußabdruck senkt (denn schließlich ist das Gewicht ein wichtiger Faktor, wenn es um die Erhöhung des CO2-Fußabdrucks beim Versand geht)?
Wir alle gehen das Thema Nachhaltigkeit auf unterschiedliche Weise an. Deshalb ist es wichtig, die verschiedenen Möglichkeiten der Produktherstellung aus einer holistischen Perspektive zu betrachten. Sind die Wünsche der Verbraucherinnen und Verbraucher, das Geschäftsmodell, die Funktion oder das Volumen besonders wichtig? Oder eher doch nicht? Diese Fragen eröffnen ganz neue Möglichkeiten, völlig neu und anders über Design nachzudenken.
Nehmen Sie den Stromverbrauch, was wirklich ein wichtiges Thema ist. Server bestehen zumeist aus Stahl und der meiste Stahl wird bereits weltweit recycelt. Es geht also in Wahrheit eher um den Energieverbrauch. Ein großes Rechenzentrum voller Server wird natürlich viel Energie verbrauchen und es wird sehr lange bestehen bleiben, also müssen auch die Materialien eine lange Lebensdauer haben. Aber auch das wird viel Energie verbrauchen. Das wäre also wieder ein anderer Ansatz. Unser Vorgehen ändert sich jedes Mal aufgrund der Lage.
Chris Lefteri: Ich möchte mit einer einfachen Frage abschließen: Gibt es ein Kunststoffprodukt, das Sie am meisten bewundern? Das kann etwas sein, an dem Sie persönlich gearbeitet haben, oder etwas, von dem Sie denken, dass es einfach ein fantastisches Stück Design aus Kunststoff war.
Falza Khanani: Ich sammele Vintage Armbänder und Broschen aus Bakelit. Vermutlich bezahle ich viel zu viel für die Stücke, wenn ich sie online finde! Dabei denke ich nicht "Ich trage Plastik", sondern für mich ist einfach interessant zu sehen, welche Designs mit diesem Material entworfen wurden. Manche Broschen sehen aus wie komplizierte Insektenkäfer, andere Teile ahmen das grobe Design von Holz und Schildpatt nach. Ich liebe auch elastische Kleidung – und natürlich auch Vintage-Sachen aus den 50er Jahren – als alles aus Plastik war: Es gab Polyester und leuchtende Farben, die verspielte Zukunft von allem Synthetischen!
Chris Lefteri: Plastik wurde damals echt gefeiert, nicht wahr? Sie sprachen über Schmuck. Ich entnehme dem, was Sie gesagt haben, dass es darum ging, etwas anderes nachzubilden – also Plastik, das versucht, wie Holz oder ein anderes natürliches Material auszusehen. Dann kamen die 60er Jahre und Kunststoff wurde dann eher als eigenes Material gefeiert, stimmt's?
Falza Khanani: Ja, denken Sie nur an Bakelit-Geschirr. Diese Stücke sind echt schön, weil sie unterschiedliche Wandungen und sehr geometrische Formen haben. Damals gab es bei der Herstellung der Produkte Einschränkungen hinsichtlich Gestaltung, Form, Umrandung und Radius, und ich denke, das spiegelt sich auch in vielen dieser frühen "fantastischen Kunststoff"-Designs wider. Mitte des Jahrhunderts gab es dann den Mid-Century-Stil, ein interessantes Design mit modernen neuen Formen, die vermutlich stark von den Möglichkeiten der Herstellung beeinflusst wurden. Und das insbesondere im Kunststoff-Bereich.