Chris:
Das ist echt interessant, da das Herzstück der Marke eigentlich die Interaktion mit der Google Software ist, die ein auf Bildschirm basierendes System und somit eher von der physischen Welt losgelöst ist. In gewisser Weise gleichen Sie dies dann aber mit sehr haptischer, taktiler, und sensorischer Hardware aus.
Ivy Ross:
Ja, Sie haben absolut recht. Als Nutzer interagieren wir häufig mit Inhalten auf Bildschirmen, bei denen es sich um flache, glatte Oberflächen handelt, die großartig sind, weil sie für uns sehr effizient und hilfreich sind. Aber für uns ist es besonders wichtig, diese Wärme und haptische Wahrnehmung bewusst hinzuzufügen, wo und wann immer wir das bewerkstelligen können.
Chris:
Die Domestizierung von Technologien und das Bestreben, sie menschlicher zu gestalten, hätte Sie eigentlich dazu verführen können, in Richtung natürliche Hölzer oder Metalle zu gehen, aber wie Sie beschrieben haben, fühlt sich die Kombination verschiedener Oberflächen, Textilien und Kunststoffe auch sehr menschlich an. Können Sie uns noch mehr über die Verwendung von Kunststoffen und diese Kombination mit Textilien verraten?
Ivy Ross:
Wissen Sie, beim Design geht es darum, Probleme zu lösen, aber wir haben auch die Aufgabe, bestimmte Produktions- und Preisparameter einzuhalten. Wir würden natürlich gerne Holz oder andere Materialien anstelle von Kunststoff verwenden, aber dies ist gegenwärtig in der Produktion einfach nicht durchführbar. Zum Beispiel war es nicht der Weg des geringsten Widerstands, den Google Home Mini Formfaktor zu erhalten, bei dem sich Kunststoff und Textil fast nahtlos zu einer schönen Form verbinden. Es war wirklich eine unglaubliche Herausforderung. Aber wir haben wirklich alle möglichen Optionen und Designs erwogen und so die beste Lösung gefunden, die auch weiteren Anforderungen entspricht. Wir erforschen ständig neue Materialien und würden gerne etwas erschaffen, das über den traditionellen Kunststoff hinausgeht. Bis dahin entwickeln wir jedoch den traditionellen Ansatz für Plastik weiter und kombinieren ihn mit anderen Methoden und Techniken. Was meine Arbeit besonders spannend macht ist es, Design als Verfahren zur Lösung komplexer Probleme unter Einhaltung solcher Grenzen zu lösen.
Chris:
Sie haben gesagt, Ihre Rolle gleicht einem Orchesterdirigenten, und tatsächlich sehen Ihre Produkte mühelos zusammengesetzt und konzipiert aus. Was ist Ihr Stil als Dirigent und wie erreichen Sie harmonische Zusammenarbeit mit verschiedenen Teams?
Ivy Ross:
Das Tolle an Google Hardware-Produkten ist, dass die Ingenieur- und Marketingteams große Achtung vor unserer Designsprache und unseren Prinzipien haben. Aber es ist natürlich auch immer eine Beziehung mit Kompromissen. Ingenieure und Designer beratschlagen ständig hin und her, um Probleme zu lösen, aber das Tolle ist, dass wir aufgrund des Respekts, den wir uns erarbeitet haben, erreichen, dass beide Seiten bereit sind, aufeinander zuzukommen. Wie ich bereits erwähnt habe, war es nicht leicht, die Form des Home Mini zu finden. Damit meine ich, dass es sicherlich einfacher wäre, eine quadratische Plastikbox herzustellen. Aber die anderen Bereiche des Unternehmens sahen die Reaktion der Verbraucher, die es schätzten, dass wir einen anderen Weg gingen und etwas gestalteten, das weicher und schöner war. Sie sind auf unserer Seite und unterstützen uns in diesem Bemühen.
Ich bin so glücklich, ein unglaublich talentiertes Team zu haben, das von Industriedesignern bis zu Werkstoffingenieuren alles miteinschließt, und ich liebe die Tatsache, dass sie aus vielen Fachrichtungen kommen, nicht nur Elektronik, sondern auch Mode, Möbel- und Fahrraddesign. Ich glaube wirklich, dass Vielfalt die Kreativität fördert. Durch den Einbezug unterschiedlicher Sichtweisen konnten wir unsere Gestaltungsprinzipien somit aktiv vorantreiben und so einzigartig wie möglich gestalten.
Jede Woche setzen wir uns zu einer gemeinsamen Produktanalyse zusammen, bei der unsere Teammitglieder Produkte und Perspektiven einbringen, darüber diskutieren und sie hinterfragen. Ich habe meine Rolle mit der eines Dirigenten verglichen. Und somit trage ich auch die Verantwortung, unsere Vision und gewachsene gegenseitige Synergien beizubehalten. Und genau wie bei einem Orchester brauchen wir manchmal mehr Schlaginstrumente oder mehr Geigen, um dieser Vision wirklich treu zu bleiben und sicherzustellen, dass das Team in einem harmonischen Umfeld zusammenarbeitet zur Wahrung unserer Kontinuität. Ich bin sehr dankbar für diese Gelegenheit, denn es kommt nicht oft vor, dass man eine Marke innerhalb einer Marke entwickeln darf, vor allem bei einem Unternehmen wie Google.
Unsere Arbeit berührt so viele verschiedene Produktkategorien und der Grundgedanke dabei ist, dass sich alle durch diese aufeinander abgestimmten Designprinzipien als Teil einer großen Familie fühlen können. Ich denke, es ist eine Frage der Kohärenz, der Kohärenz zwischen der Vision des Teams und dem kontinuierlichen Dialog mit offener und ehrlicher Kommunikation. Man muss im Laufe der Zeit herauszufinden, welche dieser Gestaltungsprinzipien sich weiterentwickeln und reifen lassen und welche wirklich den Kern unserer Ästhetik bilden, den wir dann auch entsprechend nicht ändern sollten. Es ist ein fortlaufender Entwicklungsprozess und wir fordern uns stets selbst und gegenseitig heraus, um sicherzustellen, dass wir erkennen können, ob sich etwas "gut" oder "irgendwie nicht richtig" anfühlt.
Chris:
Ich habe mir viele Videos angesehen, in denen Sie mit Materialien experimentieren. Überall liegen Materialproben, und in einem Video sieht man eine Materialbibliothek. Können Sie uns etwas über die Rolle von Materialien verraten?
Ivy Ross:
Das Tolle ist, dass das Unternehmen mich mit einem Architekten zusammenarbeiten ließ, um unser Studio zu entwerfen und zu bauen. Das war ein großes Geschenk, denn Gebäude bei Google wurden in der Vergangenheit für andere Disziplinen wie Computertechnik und Programmierung entworfen. Das gab uns die fantastische Gelegenheit, unseren Raum für Visual- und Industriedesigner zu gestalten. Wir sprachen über das, was uns wichtig war. Dabei ergaben sich zwei große Aspekte, die man bei den anderen Google-Gebäuden so nicht findet, nämlich die Materialbibliothek und das Farbstudio, die die Tragsäulen des Raums bilden. Kreativität bedeutet für mich, alles ganzheitlich zu betrachten, alles aufzunehmen und es dann durch den eigenen Filter und die eigene Perspektive auszudrücken. Deshalb ist es unheimlich wichtig, dass wir uns immer gegenseitig mit neuen Materialien, neuen Formen, neuen Konturen und Farben inspirieren. Diese beiden Räume sind so gestaltet, dass die Regale nach außen zeigen zum Rest des Studios. Beim täglichen Betreten des Raums sieht man somit eine Ausstellung von Objekten, die unsere Designer aus aller Welt gesammelt haben. Das kann sogar ein Stück Seife sein, das eine wunderschöne Farbe hat, oder die sich gut auf der Haut anfühlt.