Der nordamerikanische Kunststoffsektor hält sich stabil, während er eine Achterbahn der Unsicherheit fährt

Die Pandemie. Ausfälle in der Lieferkette. Die große Resignation. Handelsspannungen mit China. Klimawandel und extreme Wetterereignisse. Steigende Inflation. Die Volatilität der Aktienmärkte. Der Krieg in der Ukraine. Selten in unserem Leben haben wir eine so lange Periode der Störung und Unsicherheit erlebt.

Die nordamerikanische Kunststoffindustrie ist von diesen Problemen nicht verschont geblieben, hat sich aber angesichts der entscheidenden Rolle, die Kunststoffprodukte in unserem täglichen Leben und insbesondere bei lebenswichtigen Anwendungen im Gesundheitswesen spielen, recht gut gehalten. Wenn überhaupt, dann hat die Pandemie nur dazu beigetragen, den Wert von Kunststoffen für die Sicherheit und Gesundheit von uns allen zu stärken.

"Während der COVID-19-Rezession im Jahr 2020, die durch staatliche Hilfsgelder angekurbelt wurde, hielt sich der Kunststoffverbrauch in den USA stabil in einer Zeit, in der die Beschäftigung zurückging und die Kapazitäten eingeschränkt waren", so die in Washington, D.C., ansässige Plastics Industry Association (auch bekannt als PLASTICS) in ihrem Bericht "2021 Global Trends". Das Ergebnis waren höhere Importe und ein Handelsdefizit.

Der "2021 Size & Impact Report" des Verbandes, der im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde, schätzt den Gesamtwert der Lieferungen der US-Kunststoffindustrie im Jahr 2020 auf 394,7 Milliarden US-Dollar. Die Branche beschäftigte direkt 945.300 Arbeitnehmer, was einem Rückgang von fast 6 Prozent gegenüber der Zeit vor der Pandemie 2019 entspricht. Trotz aller Herausforderungen stieg die Herstellung von Kunststoffprodukten in den USA 2021 um 4,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wie aus den Daten der US-Notenbank hervorgeht, was den späten Prognosen des Verbandes entspricht.

Diese Zahl hätte noch höher ausfallen können, aber die Harzproduktion blieb weiterhin zurück, so Perc Pineda, der darauf hinwies, dass die Materialknappheit die Produktion von Kunststofferzeugnissen belastete. Pineda, der Chefökonom des Verbandes, zitierte Daten der Federal Reserve, die für 2021 einen Rückgang der Kunststoff- und Harzproduktion um 0,4 Prozent ausweisen.

Die Kunststoffmaschinenproduktion stieg im vergangenen Jahr um robuste 16,8 Prozent im Vergleich zum pandemiegeschädigten Jahr 2020, und der Kunststoffformenbau wuchs 2021 um solide 9,7 Prozent.

"Während die Aussichten für 2022 weiterhin positiv sind, werden die ungelösten Herausforderungen des Jahres 2021, die sich auf das Jahr 2022 auswirken, zu einer Verlangsamung des Wachstums in der Kunststoffindustrie führen", prognostizierte PLASTICS in seinem jüngsten vierteljährlichen Ausblick, der im Dezember veröffentlicht wurde.

Dennoch zeigen die neuesten Bundesdaten für März 2022, dass die Herstellung von Kunststoffprodukten und die Harzproduktion in den USA um 7,6 Prozent bzw. 14,1 Prozent gegenüber März letzten Jahres gestiegen sind, so Pineda.

Der US-Kunststoffmaschinenmarkt verzeichnet weiterhin eine gesunde Nachfrage, obwohl er weiterhin mit Engpässen in der Lieferkette und hohen Metallkosten zu kämpfen hat, die zum Teil auf die russischen Sanktionen zurückzuführen sind. Laut Pineda stiegen die Investitionsausgaben der Unternehmen für Industriemaschinen in den USA im ersten Quartal 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 19 Prozent. Niedrige Teilebestände verlängern jedoch die Produktionszeiten und verlangsamen die Auslieferungen. 

Harbour Results Inc. (HRI) berichtete unterdessen im April, dass sich die US-Werkzeugindustrie im Jahr 2021 wieder erholt hat und die Unternehmen im Vergleich zum Vorjahr ein Umsatzwachstum verzeichnen konnten. HRI, ein in Southfield, Michigan, ansässiges Beratungs- und Benchmarking-Unternehmen für die Fertigungsindustrie, veröffentlichte diese Erkenntnisse in seiner "Q1 2022 Harbour IQ Manufacturing Pulse Study".

Obwohl das erste Quartal des Jahres 2022 schleppend anlief, geht HRI davon aus, dass die Auslastung bis zum vierten Quartal dieses Jahres 90 Prozent bei Formen und 82 Prozent bei Pressformen erreichen wird. "Trotz des Chaos auf dem Fertigungsmarkt sehen wir die Chancen für den Werkzeug- und Formenbau im Jahr 2022 positiv", erklärte Laurie Harbour, Präsidentin und CEO von HRI, und verwies auf die Prognosen für einen starken Anstieg der Aufträge für Automobilwerkzeuge in diesem Jahr.

Die Pandemie führte zu einem bemerkenswerten Aufschwung des Homeshopping und des elektronischen Handels, einschließlich der Lebensmittel- und Lebensmittellieferdienste. Dies trug dazu bei, das Interesse an sicheren, haltbaren, klaren, leichten und dünnwandigen Kunststoffverpackungen zu steigern.

Nachhaltigkeit ist nach wie vor ein zentrales Thema für Marken und Verpackungsunternehmen. Das Packaging Machinery Manufacturers Institute (PMMI) warnte jedoch im Mai, dass die Innovation in der Branche nicht mit den Nachhaltigkeitsanforderungen Schritt hält. Die Unternehmen stehen unter massivem Druck, den Verpackungsabfall zu reduzieren, aber die PMMI-Studie besagt, dass die Verpackungsunternehmen erkennen, dass sie in dieser Hinsicht hinter der Kurve liegen und aufholen müssen.

Der Bausektor ist ein ganz anderes Kaliber und steht vor anderen Herausforderungen. Unterbrechungen in der Lieferkette haben den Bauunternehmen zu schaffen gemacht. In den letzten Jahren war die Nachfrage nach Wohnimmobilien in den USA so groß, dass die Preise in die Höhe schossen, und die Bauunternehmen hatten Mühe, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten.

"Trotz all der Turbulenzen, die sich in einigen anderen Sektoren widerspiegeln, stiegen die gesamten Bauausgaben in den USA im ersten Quartal um robuste 12 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2021", so Plastics News. "Die Gesamtausgaben für Wohnbauprojekte stiegen um fast 19 Prozent, während die Ausgaben im Nichtwohnungsbau um beachtliche 6 Prozent zunahmen." Höhere Zinssätze werden diesen Sektor wahrscheinlich etwas abkühlen.

Die Consumer Technology Association (CTA), die jedes Jahr die riesige CES-Messe für Unterhaltungselektronik in Las Vegas organisiert, prognostizierte im Januar, dass die Umsätze im Bereich der Unterhaltungselektronik in den USA im Jahr 2022 um 2,8 Prozent steigen werden. Der CTA sagte voraus, dass die Einzelhandelsumsätze der Branche in diesem Jahr 505 Milliarden Dollar übersteigen werden, womit zum ersten Mal die Marke von einer halben Billion Dollar überschritten wird. Dieser Anstieg übertrifft das jährliche Wachstum von 9,6 Prozent im Jahr 2021.

Zu den am schnellsten wachsenden Produkten gehören laut CTA viele "intelligente" Produkte - von intelligenten Geräten bis hin zu Smart-TVs sowie vernetzte Produkte wie Sport- und Fitnessgeräte. Auch digitale Gesundheitsgeräte werden immer beliebter, darunter vernetzte Geräte zur Überwachung der geistigen und körperlichen Gesundheit und zum Management chronischer Krankheiten, sowie Telemedizin und alle Arten von Wearables.

Die US-Automobilindustrie hat aus all den oben genannten Gründen einen schweren Stand, der durch einen kritischen Mangel an Halbleiterchips, die in jedem Fahrzeug benötigt werden, noch verstärkt wird. Analysten gehen davon aus, dass die Halbleiterbestände frühestens im Jahr 2023 wieder das Niveau von vor der Pandemie erreichen werden.

Nach Angaben der National Automobile Dealers Association stiegen die Verkäufe neuer Leichtfahrzeuge in den Vereinigten Staaten im April 2022 auf 14,3 Millionen Einheiten (saisonbereinigte Jahresrate, SAAR), aber das ist immer noch weit entfernt von der Jahresrate des Aprils 2021 von 18,6 Millionen Einheiten.

Abgesehen von der Technologie, der Inflation und den Herausforderungen in der Lieferkette hat die US-Kunststoffindustrie (und das verarbeitende Gewerbe im Allgemeinen) ein potenziell schwer zu lösendes Problem: den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, die die Werke am Laufen halten. Die Pandemie hat viele dazu veranlasst, ihr Leben und ihre Karriere neu zu überdenken, was einige dazu veranlasst hat, ihren Job zu kündigen, und andere, andere Wege einzuschlagen.

Zusätzlich zu der alternden Bevölkerung in den USA hat es sich als schwierig erwiesen, Talente anzuwerben, auszubilden und zu halten. Viele der Neuzugänge auf dem Arbeitsmarkt verfügen nicht über die erforderlichen Qualifikationen und/oder sind abgeneigt, eine Karriere in der Fertigung anzustreben, so Pineda.

"Auf einem angespannten Arbeitsmarkt sind selbst wirtschaftliche Anreize wie höhere Löhne und Sozialleistungen keine Garantie dafür, qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen und zu halten. Um das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften zu erhöhen, müsste sich die Industrie ernsthaft für die Einführung eines landesweit einheitlichen und vom US-Arbeitsministerium anerkannten Ausbildungsprogramms einsetzen", so Pineda.